Falsche Opfer by Arne Dahl

Falsche Opfer by Arne Dahl

Autor:Arne Dahl
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-01-22T14:32:52+00:00


37

Es war zehn Uhr sechsundzwanzig am Samstag, dem zehnten Juli.

Er lag in einem lausigen Bett in einer Campinghütte bei Ar boga und begann sein drittes einsames Wochenende. Er fragte sich, wie lange er noch durchhalten würde.

Vierhunderteins, leichter geht keins.

Die Worte verhöhnten ihn. In wie viele Bankfächer mit den inzwischen hypnotischen Ziffern 4,0,1 hatte er bereits den Schlüssel gesteckt? Fünfzig? Mehr? Er wusste es nicht. Der Alltag war wie ein Nebel. Er tat nichts anderes als Auto zu fah ren und in Banken zu gehen und seine Position auf dem Stra ßenatlas zu bestimmen und kurzgefasste Mitteilungen ans Inter net zu schicken. Etwas anderes gab es nicht.

Erst an den Wochenenden. Da fiel alles über ihm zusammen. Die Entbehrung. Die Hoffnungslosigkeit. Das Eingeständnis der Niederlage.

Die Träume sollten Träume bleiben.

Doch am schlimmsten war die Entbehrung. Sein ganzes We sen – Körper, Seele, Geist, alles, was er sich denken konnte – schrie nach ihr. Und die Wochenenden waren ein einziges langgezogenes Leiden. Eine Wanderung nach Golgatha.

Hymenaios ist vergebens nach Thrakien gerufen worden.

Er drückte das vergammelte Kissen, bis die Federn heraus quollen und in der Hütte umherzusegeln begannen. Sein Blick fiel auf den kleinen Digitalwecker. Er sprang gerade auf 10.31.

Da kam der Stoß.

Sein ganzes Wesen wurde von einem Stoß durchzuckt, wie Elektrizität, von einem gewaltigen Impuls, der durch jede Nervenzelle des Körpers und weiter durch die eher ätherischen Verbindungsglieder der Seele und des Geistes schoss. Alles war Schmerz. Es gab nichts als diesen Schmerz, und der Schmerz war alles.

Alles außer einer kurzen, abrupten Erkenntnis: Ohne es zu wissen, musste er sich umgedreht haben.

Orpheus musste sich umgedreht und einen Blick über die Schulter geworfen haben.

Und Eurydice sank zurück in die schattige Tiefe des Hades.

Es war zehn Uhr sechsundzwanzig am Samstag, dem zehnten Juli.

Sie lag in einem lausigen Bett im Parterre eines Hotels in Skövde und begann ihr drittes einsames Wochenende. Sie fragte sich, wie lange sie noch durchhalten würde.

Hatte sie trotz allem falsch gedacht? Hatte die Natter sich doch nicht hinausbegeben in die Provinz und das Geld in einem ländlichen Bankfach verstaut? Fehlte etwas in ihren Berech nungen? War da nichts, woran sie sich erinnern sollte – was in die Berechnungen eingehen sollte? Etwas, das sie blockierte?

Sie überlegte. Das war immer ihr einziger Verteidigungsme chanismus gewesen. Und sie spürte in diesem Augenblick – als das Wochenende kam und gleichsam die Überaktivität des All tags ertränkte –, dass ihr Gedanke sich ein kleines Stück der Wahrheit annäherte.

Ein Faktor fehlte in den Berechnungen.

Onkel Jubbe? War da nicht mehr?

Sollte sie nicht wissen, wo sich dieses Bankfach befand?

Soweit von des Gedankens Blässe angekränkelt...

Er war hell, sie war dunkel, und sie vermisste ihn. Das war das einzige, was glasklar war. Es war das einzige Unbezweifel bare im Leben. Das einzig Reine, absolut Unbefleckte.

Es war nicht möglich, jetzt noch länger voneinander getrennt zu sein.

Sie drückte das lausige Kissen, bis die Federn herausquollen und im Zimmer umherzusegeln begannen. Ihr Blick fiel auf den kleinen Digitalwecker. Er sprang gerade auf 10.31 um.

Da kam der Stoß.

Die Tür ging auf. Sie hatte sie nicht mal abgeschlossen.

Drei



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.